*1985 in Istanbul, Turkey

Ausbildung

2016–2019, Hochschule für Bildende Künste–Städelschule, Frankfurt am Main, Meisterschülerabschluss / Master Class Diploma

2015–2018, Bard College, New York, Master of Fine Arts, Sculpture

Auszeichnungen (Auswahl)

2021/2022, Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung, New York

2020, SAHA Studio, project and studio grant, Istanbul

 

In den Arbeiten von Onur Gökmen verschränken sich immer wieder Zukunft und Vergangenheit. Der 1985 in Ankara geborene Künstler hat am Bard College in New York und an der Städelschule in Frankfurt am Main studiert. Er lebt heute in Frankfurt, Berlin und Istanbul.

Sein jüngstes Projekt FIRST (2021) referiert auf einen archäologischen Fund im Süden Anatoliens: die Großsiedlung Çatalhöyük, die um 7000 v. Chr. entstanden ist und gemeinhin als erste vom Menschen erbaute Stadt bezeichnet wird. In den 1950er Jahren entdeckt, wird die 13 Hektar große Grabungsstätte bis heute erforscht. Die Behausungen sowie der daraus abzuleitende Gesellschaftsentwurf dieser jungsteinzeitlichen Zivilisation erscheinen dabei zum Teil bemerkenswert zukunftsweisend: Die quaderförmigen und aus Lehm gefertigten Wohnbauten waren nahtlos, ohne Straßen, aneinandergebaut. Durch treppenförmige Abstufungen wurde jedes Haus mit genügend Licht versorgt. Die Bewohner:innen gelangten über eine rechteckige Dachöffnung und eine Leiter in den Innenraum, dessen weiß getünchte Wände das einfallende Sonnenlicht reflektierten und somit für natürliche Beleuchtung sorgten. Die Eingangsluke diente darüber hinaus als Rauchabzug für den direkt darunter platzierten Ofen. Der Innenraum war durch terrassenartige Flächen abgestuft, die verschiedenen Wohnfunktionen wie dem Schlafen zugeordnet waren. Nur Nahrungsvorräte wurden in einer räumlich abgetrennten Kammer aufbewahrt. Das Wohnen gestaltete sich jedoch nicht zwangsläufig einfach: In einigen Häusern wurden aus Tierknochen hergestellter Bauschmuck, Wandmalereien und Figurinen mächtiger weiblicher Körper gefunden.

Mit FIRST lädt Gökmen nahe des Landesmuseums in Darmstadt auf eine Zeitreise ein: Die Skulptur, die nur zur Hälfte aus dem Boden ragt und äußerlich an Bunkerarchitekturen und das reduzierte Formenvokabular des Minimalismus erinnert, lässt im Innenraum das vergangene Çatalhöyük aufleben. Auch ohne den Bezugsrahmen zu kennen, bietet dieser Rückblick in die Jungsteinzeit, Besucher:innen Antworten auf zentrale Fragen, die sich unter anderem in Hinsicht auf das zukünftige Wohnen stellen: Sie zeigen, wie der Mensch auf wenig Raum leben und mit Lehm nachhaltig bauen kann. Die neolithische Großsiedlung wirkt auch in einem anderen Aspekt moderner als vergleichbare Anlagen heutiger Industrienationen: Forscher:innen folgern beispielsweise aus der baulichen Struktur der Häuser und aus Knochenfunden, dass die Bewohner:innen Çatalhöyüks vor 9000 Jahren nicht zwischen Geschlechtern unterschieden und im Süden Anatoliens eine gleichberechtigte Gesellschaft lebte.

Onur Gökmen stellt die Idealisierung des Archaischen schließlich als eine Hypothese in den öffentlichen Raum, die er kritisch befragt: Sind die Lösungen für die Zukunft der Menschheit wirklich in der Vergangenheit zu suchen?

 

Ermöglicht mit freundlicher Unterstützung von:

Bauverein AG, Entega Stiftung, Fischer + Werle Ingenieurbüro, Landesmuseum Darmstadt, Sparkasse Darmstadt, vonschwanenflugproject